Gift
Stil und Technik
Samanta Schweblins Stil in «Gift» zeichnet sich durch filigrane Lakonie und eine beängstigende Klarheit aus, in der jedes Wort bis zur äußersten Ausdruckskraft geschärft ist. Die Sprache des Romans ist zurückhaltend, fast telegrafisch, doch gerade in dieser Knappheit entsteht eine besondere Poetik der Angst: Kurze Sätze, abgehackte Dialoge und spannungsgeladene Pausen schaffen eine Atmosphäre wachsender Bedrohung. Die Autorin setzt meisterhaft den inneren Monolog ein und lässt den Leser in den Bewusstseinsstrom der Hauptfigur eintauchen, wo Realität und Halluzination zu einem einzigen Erzählgeflecht verschmelzen. Die Struktur des Romans erinnert an einen fiebrigen Traum: Die Handlung ist als Dialog zwischen Amanda und dem rätselhaften Jungen David aufgebaut, ihre Stimmen verweben sich und verwischen die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Leben und Tod. Wiederkehrende Motive, die Symbolik von Wasser und Giften sowie das Gefühl unausweichlicher Gefahr verleihen dem Text eine hypnotische Kraft. Schweblin nutzt Andeutungen und Unausgesprochenes virtuos, sodass Angst und Unruhe in die tiefsten Schichten der Erzählung eindringen und den Roman in eine düstere Parabel über die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens und die schwer fassbare Grenze zwischen Realität und Albtraum verwandeln.
