Die historischen Wurzeln des Zaubermärchens
Methodik und Schlussfolgerungen
Wladimir Jakowlewitsch Propp betrachtet in seinem grundlegenden Werk das Zaubermärchen als einen lebendigen Organismus, dessen Wurzeln tief in archaische Rituale und mythologische Vorstellungen reichen. Seine Forschungsmethodik basiert auf einer sorgfältigen vergleichend-historischen Analyse, bei der jedes Märchendetail durch die Linse alter Rituale, Bräuche und Glaubensvorstellungen betrachtet wird. Propp vergleicht akribisch Motive, Bilder und Strukturen der Märchen mit Initiations-, Hochzeits- und Begräbniszeremonien und legt deren ursprüngliche Bedeutung und Funktion im Leben der frühen Menschen offen. Er zeigt, wie rituelle Handlungen, nachdem sie ihre sakrale Bedeutung verloren hatten, allmählich zu künstlerischen Elementen der Märchenerzählung wurden. In seinen Schlussfolgerungen betont Propp, dass das Zaubermärchen kein Produkt freier volkstümlicher Erfindung ist, sondern das Ergebnis einer komplexen Entwicklung ritueller Formen, in denen jedes Motiv und jede Figur den Abdruck uralter Rituale trägt. Seine Arbeit eröffnet dem Leser ein faszinierendes Bild der Kontinuität kultureller Schichten, in dem das Märchen als lebendiges Zeugnis historischer Erinnerung erscheint.
