Die Pest in London
Buchrezension
«Die Pest in London» von Daniel Defoe ist nicht nur eine Chronik des Unglücks, das 1665 über London hereinbrach, sondern auch ein tiefes Eintauchen in die Psychologie von Angst, Einsamkeit und menschlicher Standhaftigkeit. Defoe verbindet meisterhaft dokumentarische Genauigkeit mit literarischer Ausdruckskraft und erschafft eine Atmosphäre von Unruhe und Ausweglosigkeit, in der jeder Klang und Geruch der Straßen zum unheilvollen Vorboten des Unglücks wird. Seine Erzählung, reich an Alltagsdetails, Sittenbeschreibungen und täglichen Ritualen, verwandelt die Stadt in einen lebendigen Organismus, der vom Fieber ergriffen ist. Kritiker heben Defoes einzigartige Fähigkeit hervor, persönliches Zeugnis mit einem weiten Panorama des gesellschaftlichen Lebens zu verbinden, sowie sein feines Verständnis der menschlichen Natur: In diesem Buch gibt es weder Helden noch Schurken – es gibt nur Menschen, die dem unbekannten Schrecken gegenüberstehen. Defoe vermeidet Moralisieren und überlässt es dem Leser, über die Handlungen der Figuren selbst zu urteilen, und erreicht so eine besondere Glaubwürdigkeit. «Die Pest in London» ist ein Werk, in dem die historische Katastrophe zu einer ewigen Mahnung an die Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz und an die Kraft des Geistes wird, die selbst der erbarmungslosesten Naturgewalt standhalten kann.
