Der Professor
Buchrezension
«Der Professor» von Charlotte Brontë ist ein Werk, in dem die zurückhaltende englische Prosa besondere Klarheit und Tiefe gewinnt. Die Geschichte von William Crimsworth, einem jungen Engländer, der sich in der rauen Welt belgischer Pensionate selbst sucht, ist geprägt von feiner psychologischer Beobachtung und aufrichtigem Glauben an die Kraft menschlicher Würde. Brontë gestaltet meisterhaft die Innenwelt des Helden, sein Alleinsein, den Kampf gegen Vorurteile und das Streben nach Selbstständigkeit. Kritiker bemerken, dass der Roman an Dramatik und Umfang späteren Werken der Autorin nachsteht, doch gerade hier zeigt sich erstmals ihr unverwechselbarer Stil: zurückhaltende Ironie, ein feines Spiel von Licht und Schatten in den Charakteren, ein scharfer Blick für Alltags- und Gefühlsdetails. «Der Professor» ist eine kammermusikalische, fast intime Geschichte des Erwachsenwerdens, in der durch die Alltäglichkeit des Lebens eine leise, aber unbezwingbare Sehnsucht nach Freiheit und Liebe hindurchscheint. Das Buch hinterlässt einen nachdenklichen Nachklang und stille Hoffnung, und seine Lakonie und Ehrlichkeit machen den Roman zu etwas Besonderem in der viktorianischen Literatur.
